Diese Frage wird mir häufig gestellt. Tatsächlich gibt es mehrere Erklärungen. Zunächst: Einer meiner Lieblingsautoren, der polnische Großmeister Stanislaw Lem hat Mitte der 1980er Jahre das Buch „Lokaltermin“ verfaßt, mit seinem wohl berühmtesten Protagonisten Ijon Tichy. In großen Teilen geht es dort um einen Planeten, auf dem die eine Hälfte der Bewohner in einer Art Paradies leben, die anderen in einer finsteren, bedrohlichen Umgebung in ständiger Lebensgefahr. Nur scheinbar handelt es sich um Science-Fiction-Literatur, in Wirklichkeit geht es dabei um die Frage, inwieweit das persönliche Glück von der Lebensumgebung abhängig ist. Der Name des Planeten: Entia. Aber damit endet die Erklärung noch nicht.
Wie die Recherche zeigt, hat auch Lem diesen Namen nicht erfunden. Tatsächlich zitiert er in dem Buch auch die Quelle, nämlich den Satz „entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem“, den man so etwa so übersetzen könnte: „Entitäten dürfen nicht über das Notwendige hinaus vermehrt werden.“ Heißa, was soll das den heißen?
Tatsächlich könnte man die Bedeutung des Satzes in etwa folgendermaßen beschreiben: Wenn es mehrere Erklärungen oder Beweise für eine Behauptung oder Annahme gibt, dann verwende die einfachste.“ Sie wird dem englischen Philosophen Wilhelm von Ockham zugeschrieben, der im 19.Jahrhundert lebte. Der Satz ging als „Ockhams Rasiermesser“ (im Original „Occams Razor“) in die Philosophie-Geschichte ein, vermutlich, weil man sich mit dem „Abschneiden“ überflüssiger Theorien das Leben leichter machen kann.
In dem Satz findet sich „entia“, es ist die Mehrzahl des lateinischen Wortes „ens“. Ein (wirklich nur ganz kleiner) Ausflug in die Grammatik: „ens“ ist das Partizip Präsens von lateinisch „esse“ = „sein“. Als Substantiv stand es dann irgendwann für das „Ding“, etwas wirklich existierendes. So wird es heute auch noch in philosophischen Begriffen verwendet.
„entia“ als Mehrzahl von „Ens“ beschreibt nun die Gesamtheit der Dinge. Ins Deutsche hat es sich als „Entität“ gerettet, was ein Sammelbegriff für alles Existierende ist.
Fazit: Ich finde, es ist ein wirklich schönes Wort.
Nachtrag: Gerade finde ich noch einen Hinweis auf „entia“. Das war im Jahr 2377 ein romulanisches Frachtschiff. 🙂
http://memory-beta.wikia.com/wiki/RIS_Entia
Pingback: Große Freude: Uns gehört jetzt auch www.entia.com! | entia Blog
Allerdings stammt der Satz nicht von Ockham, sondern von Johannes Clauberg. Bei Ockham geht es nicht so sehr um ein existierendes Ding – eine Entität, ohne jede Qualität -, sondern um die wesentliche Eigenschaft eines Dinges. Ockhams Rasiermesser war im Universalienstreit eine Position, die gegen Platons Ideen gerichtet war. Um einen Begriff wie etwa „Baum“ zu bilden, benötige ich keine Idee von einem Baum, die unabhängig vom erkennenden Subjekt existiert. Mit anderen Worten: Platonische Ideen sind überflüssig. Allerdings könnten sie existieren, da Ockhams Rasiermesser nichts über die Ontologie der Gegenstände aussagt, sondern nur ein heuristisches Prinzip darstellt, wie wir methodisch bei der Aufstellung von Theorien vorgehen sollten. Es ist nicht notwendig, die Existenz platonischer Ideen zu postulieren, da es andere Erklärungen gibt, wie wir zu Universalbegriffen kommen, die ohne platonische Ideen auskommen und daher schlicht einfacher sind.