Wie schade: Loony ist insolvent. Das Stuttgarter Unternehmen vertrieb – ähnlich wie entia – Produkte aus Behindertenwerkstätten. Nach zehn Jahren wird die gemeinnützige GmbH nun offenbar aufgelöst. Zu den Hintergründen kann man nur spekulieren: Eine offizielle Stellungnahme der Gesellschafter gibt es nicht. Der beauftragte Insolvenzverwalter reagiert auf Nachfragen nicht.
Schon seit dem 1. Juni 2015 ist das Unternehmen in der Insolvenz. Die Gesellschafter, die diakonischen Werke von Baden und Württemberg, verweisen auf den dritten Gesellschafter, den loony-Verein als wesentlichem Träger des Vereins. Der Verein reagiert aber auf Nachfrage nicht. Ebenso der zum Insolvenzverwalter bestellte Rechtsanwalt.
10 Jahre lang gab es loony – und das Konzept war in dieser Art neuartig. Man suchte nämlich gezielt nach Design-Studenten, die mit eigenen, frischen Ideen neue Produkte erfanden. Diese wurden dann in Werkstätten für Menschen mit Behinderung hergestellt und schließlich von loony vermarkten. Dabei entstanden durchaus originelle Produkte, von denen wir bei entia auch einige im Sortiment hatten, etwa „Mr. Wilson“, einen zum Tuchhalter umfunktionierten Handtuchhalter.
„Seit nunmehr 10 Jahren schafft das Projekt Loony sinnvolle Arbeit für psychisch kranke und behinderte Menschen. Viele der Klienten haben sich sehr mit der Marke und den von ihnen hergestellten Produkten identifiziert. Dabei konnte eine durchaus positive Wirkung dieser Identifikation auf Wohlbefinden und sogar Heilungsprozess wahrgenommen werden.“
So steht es im aktuellen, offenbar letzten Katalog der GmbH. Und dort steht auch:
In den Jahren sind aus Designstudenten sehr erfolgreiche international tätige Designer geworden, die für die großen Marken arbeiten. Wir freuen uns immer noch die „Frühwerke“ der Meister bei Loony anzubieten.
Das ist keineswegs übertrieben. Dominik Langhammer etwa, der Designer des „Mr. Wilson“ arbeitet heute in den USA für eine Tochterfirma von Amazon, die für das Design der Amazon-eigenen Produkte verantwortlich sind, etwa den Kindle oder das Fire Phone.
Bald wird loony also nun offenbar Geschichte sein. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Schon im Jahresabschluss 2013 war ein deutliches Minus zu sehen, in 2014 wird es wohl nicht anders gewesen sein. Dass man keinen Weg gefunden hat, das Steuer herumzureißen, ist bedauerlich. Dass es aber auch versäumt wird, die langjährigen Kunden wie entia angemessen zu informieren, könnte darauf hinweisen, dass es zum Schluss möglicherweise Streit zwischen Unternehmsführung und Gesellschaftern gegeben hat.
Kurios: Der frühere Geschäftsführer hat den Eintrag der Marke „Loony“ für mehrere Produkt-Kategorien im Deutschen Markenregister schon am 1.5.2015 beantragt – nicht auf die GmbH, sondern auf sich selbst. Die Wort-Bild-Marke des Unternehmens, nämlich „loony design“, ursprünglich vom gründenden Verein geschützt, und das wir oben zeigen, wurde schon kurz nach der Insolvenz-Erklärung noch im Juni 2015 gelöscht.
Für entia ist das eine traurige Geschichte. Gerade in diesen Tagen haben wir noch mehrere Cuba-Zigarrenascher (designed von Yvette Hoffmann) an ein angesehenes Londoner Büro für Innenarchitektur verkauft, was einer von vielen Beweisen für die Originalität und den Design-Anspruch von loony ist. Ein echter Wille, eine (Nachfolge-)Lösung für das Unternehmen zu finden, ist nicht erkennbar. Auch wäre es mehr als fair, wenn die Gesellschafter wenigsten den Kontakt zwischen den Werkstätten und Kunden wie entia herstellen würden, so dass die Produkte auch nach dem Ende von Loony Design weiter auf dem Markt bleiben könnten.
Die letzten Produkte von loony, die wir noch auf Lager haben, finden Sie – solange vorrätig – hier:
Hallo, Herr Ziegert,
Sie bedauern im entia-Blog das „Ableben“ von Loony-Design. Das tue ich auch – ich bin gewissermaßen einer der (freiberuflichen) Geburtshelfer dieser Marke. Name, Logo und Erscheinungsbild sowie Internetauftritt und Katalogtexte bis 2009 stammen von mir und ich habe auch das erste Vermarktungskonzept erstellt. Ich war von 2003 bis 2009 mit Loony-Design befasst. Was dann geplant war und auch umgesetzt wurde, konnte eigentlich nicht gutgehen.
Die Gründungsidee ist nach wie vor bestechend: Alle Einrichtungen, ungeachtet ihrer Größe, die sich im Bereich der badischen Diakonie um Menschen mit psychischen Erkrankungen befassen, konnten Mitglied werden und nach ihren Möglichkeiten Produkte herstellen. Diese basisdemokratischen Organisationsform ist letztlich zur Führung eines erwerbsorientierten Unternehmens ungeeignet. Dies zu ändern, ist nicht gelungen. Ein weiteres wesentliches Manko war schon immer der „Design-Nachschub“. Es fehlten – alle Jahre wieder – neue Produkte, mit denen man Stammkunden hätte bei der Stange halten können. Wenn Sie auf der Ambiente zwei Jahre hintereinander nichts Neues haben, verlieren Kunden das Interesse. Später hat dann der letzte Geschäftsführer seine Entwürfe ins Sortiment aufgenommen, von denen etliche vielleicht doch nicht von ausreichender gestalterischer Qualität waren. Komplett daneben war dann die Aufnahme eines Kirchenstuhls, ebenfalls vom Geschäftsführer gestaltet, der absolut nicht in das Sortiment passte.
Was soll ich sagen: So geht es, wenn der falsche Mann am falschen Platz ist, wenn dessen „Aufseher“ beratungsresistent sind und/oder nicht genug Zeit haben, sich in geeigneter Weise zu kümmern, und wenn die letzten Fördergelder ausgegeben wurden, bevor man ein funktionierendes Geschäftskonzept umsetzen konnte – ich bezweifle, dass es überhaupt eines gab. Und dann scheint der Herr ja noch die letzten Überreste der Marke zu plündern, wenn ich Ihren Bericht richtig lese?
Wirklich schade, ich bin nach wie vor überzeugt, dass es hätte funktionieren können. Vielleicht versucht es nochmal jemand.
Mit besten Grüßen
Günther Knauthe
Guten Tag Harr Knauthe,
ich habe einen Artikel aus den Anfängen von Loony gefunden:
http://www.spiegel.de/panorama/looney-design-bazillus-als-therapie-a-391187.html
In der Tat, das Konzept war sehr gut, und es hätte was daraus werden können.
Aber das Ende des Projekts ist wohl auch kennzeichnend für die letzten Jahre: Niemand kommt auf die Idee, die Kunden zu informieren, niemand sorgt offenbar für ein würdiges Ende. Oder auch einen würdigen Übergang zu einem anderen Unternehmen.
Für mich war es schon sehr bezeichnend, dass man mein Gesprächsangebot nicht aufgegriffen hat. Nicht ein Rückruf, nicht eine Antwort per Email.
Hat Loony so ein Ende verdient? Wohl nicht.
Aber vielleicht ist richtig von Ihnen, Herr Knauthe, grundsätzlich die Frage zu stellen, ob soziale Einrichtungen und gewerbliches Unternehmertum unter einem Dach gut harmonieren.
Es gab übrigens noch ein zweites, vergleichbares Projekt: sotra.de.
Dies hat eine soziale Einrichtung in Karlsruhe 2002 gegründet und 2010 wieder geschlossen – obwohl man zwischenzeitlich über 1000 Produkte aus WfbM im Sortiment hatte. Zum Schluss gab es wohl Streitereien über Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten – und dann war ebenso plötzlich Schluss wie mit loony.