Nanu?! Was ist denn das für eine Überschrift? Sorry, aber das musste ich mal loswerden. 🙂 Wie das so ist mit der political correctness, ab und zu wird man ihrer überdrüssig.
Als was will ich denn nun sagen? Es gibt seit Jahren und Jahrzehnten immer wieder wechselnde Namen für Werkstätten für Menschen mit Behinderung – so werden diese heute offiziell genannt. Das ist aber ein sperriges, bürokratisches Wortungetüm, weit entfernt von jeder Lebensrealität. Deshalb meine dringende Bitte: Gebt mir ein neues Wort!
Es gibt so viele gräßliche Wörter für diese wunderbaren Werkstätten, in denen tolle Menschen großartige Arbeit leisten:
- Beschützende Werkstatt
- Behindertenwerkstatt
- Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM)
- Werkstatt für Menschen mit Behinderung
- Werkstatt für angepasste Arbeit
- Werkstatt für berufliche Rehabilitation
- Werkstatt für die Teilhabe am Arbeitsleben
Wahrscheinlich gibt es noch mehr. Allerdings: Es gibt keinen angemessenen, schönen, sinnfälligen, greifbaren und kurzen Namen dafür.
Und was bedeutet das in der Praxis? Fachleute untereinander sprechen zunächst von der Werkstatt für Menschen mit Behinderung um sich gegenseitig zu signalisieren, dass man natürlich den richtigen Begriff kennt und auch benutzt. Aber schon drei Sätze weiter wird dann der Einfachheit halber wieder von Behindertenwerkstatt gesprochen.
Hat man schon mal von einem Menschen gehört, der mit Stolz gesagt hätte: „Ich arbeite in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen“? Nicht die wertvolle Aufgabe und die großartige Tätigkeit hindert ihn oder sie an so einem Satz – alleine schon der wulstige Sprachknoten des Begriffs verhindert dies.
Oder haben Sie in einer Zeitung, einer Zeitschrift oder einem Magazin schon mal den Begriff Werkstätten für Menschen mit Behinderung in einer Überschrift gelesen? Nein, nicht? Woran liegt es, sind die JournalistInnen alle unwissend oder ignorant? Nein keineswegs – nur ist ganz praktisch meist schon die Zeile voll, wenn man diesen umständlichen Begriff benutzt, ohne dass man eine Aussage noch dazu packen könnte. Also schreiben sie doch wieder von Behindertenwerkstätten – wer will es ihnen verdenken?
Glaubt jemand, dass ein typischer Google-user bei einer Suche tatsächlich Produkte Werkstatt für Menschen mit Behinderung im Suchfeld eingibt, oder Infos Werkstatt für Menschen mit Behinderung oder Arbeitsplatz Werkstatt für Menschen mit Behinderung?
Wenn man folgende Wortkombinationen bei Google eingibt ergeben sich
Produkte WfbM: 43.000 Treffer
Produkte „Werkstatt für Menschen mit Behinderung“: 76.200 Treffer
Produkte Behindertenwerkstatt: 120.000 Treffer
Das Beispiel zeigt auch, dass selbst Google mit seinen ausgeprochen guten semantischen Fähigkeiten nicht erkennt, dass es sich um Synonyme handelt.
Übrigens: Gibt man bei beliebten Suchmaschen für Wort-Alternativen wie etwas openthesaurus.de oder synonyme.woxikon.de den Begriff Behindertenwerkstatt ein so erhält man … keine einzige Alternative.
Was ergibt sich daraus? Dass man weiterhin von Behindertenwerkstätten sprechen sollte? Keineswegs! Das ist ein häßliches Wort, denn es betont die Behinderung und nicht die Fähigkeiten der Menschen, die in diesen Werkstätten arbeiten. Aber wir haben in all den Jahren keine geeignete Alternative gefunden. Das ist traurig.
Deshalb meine Bitte: Bundesarbeitsgemeinschaft, Lebenshilfe, Caritas, Diakonie, Anthroposophen oder sonstige Träger oder wer auch immer: Beschäftigt Werbeagenturen, fragt die kreativsten Menschen, macht Umfragen im Volk – aber bitte,bitte sucht und findet eine Alternative! Alle Werkstätten Deutschlands und ihre über 300.000 MitarbeiterInnen werden Euch zutiefst dankbar sein – und ich natürlich auch.